Gewinderollen oder Gewindefestwalzen

Schraubverbindungen sind die vermutlich am häufigsten verwendeten Verbindungselemente im Maschinenbau. Sie sollen Bauteile einfach und sicher zusammenfügen. Durch die Form des Gewindes und die resultierende Spannkraft verspannen sich das Innen- und Außengewinde miteinander und bilden so eine feste Verbindung. Gerade bei dynamisch belasteten Baugruppen sind Schraubverbindungen besonders kritisch.
Die Schraube hat dabei unterschiedliche Belastungen auszuhalten. Zum einen wirkt natürlich die äußere Belastung auf die Schraube; das kann Zug- sowie Druckbelastung oder Scherung sein. Außerdem wirkt bereits durch das Verspannen der Gewinde zueinander eine innere Spannung, die die Schraube auf Zug belastet.
Die Form des Gewindes bewirkt, dass das Bauteil eine Vielzahl starker Kerben aufweist, die für eine dynamische Belastung kritisch sind und zu einer Rissinitiierung im Gewindegrund führen können. Aus diesem Grund muss gerade bei sicherheitskritischen Bauteilen darauf geachtet werden, das Gewinde durch den Fertigungsprozess nicht zusätzlich zu schwächen.
Gewindeschneiden, Gewinderollen oder Gewindefestwalzen – So können Schrauben gefertigt werden
Klassisch existieren zwei alternative Routen für die Herstellung von Gewinden: Das Gewindeschneiden und das Gewinderollen. Beim Gewindeschneiden wird mit einem zerspanenden Prozess die Form des Gewindes hergestellt. Dieser Prozess ist insgesamt sehr flexibel und in der Herstellung vergleichsweise günstig; letzteres vor allem bei kleinen Stückzahlen oder Sondergewindeformen. Außerdem ist der Prozess eigentlich auf jedem Bearbeitungsprozess möglich.
Beim Gewinderollen wird die Form des Gewindes in das Bauteil eingeformt. Es ist also ein umformender Prozess. Wie bei allen umformenden Prozessen ist dieser Prozess sehr produktiv und gerade in der Serienfertigung kostengünstig. In der Einzelteilfertigung sind die benötigen Werkzeuge allerdings sehr teuer und daher nicht wirtschaftlich. Ein wesentlicher bekannter Vorteil beim Gewinderollen ist, dass durch den umformenden Prozess die Festigkeit des Gewindes gesteigert wird.
Wird allerdings in der Einzelteil- oder Kleinserienfertigung eine gesteigerte Festigkeit benötigt, kommen beide Verfahren an ihre technischen und wirtschaftlichen Grenzen. Hier kann dann eine dritte, alternative Fertigungsvariante gewählt werden. Beim Festwalzen eines Gewindes wird ein zerspantes Gewinde nachträglich im Gewindegrund festgewalzt und so die dynamische Festigkeit des Gewindes gesteigert. Das Festwalzen bietet also die Möglichkeit einer hochflexiblen und wirtschaftlichen Fertigung von hochfesten Gewinden.

Schwingfestigkeitsuntersuchung nach DIN 969
Es drängen sich in diesem Zusammenhang sofort die Fragen auf: Wie sind dynamische Festigkeiten der unterschiedlich hergestellten Gewindevarianten zu bewerten? Und kann das Festwalzen eine vergleichbare Lebensdauer erreichen wie das Gewinderollen?
Am Beispiel einer M12-Gewindestange aus dem Stahl 42CrMo4 wollen wir diese Fragen jetzt beantworten. Dazu wurden die Gewindestangen angelehnt an die DIN 969 auf einer Resonanz-Prüfmaschine der Fa. Sincotec vom Typ POWER SWING MAC getestet. Um vollständige Wöhlerkurven aufzunehmen, wurde nach dem Perlenschnurverfahren und nach dem Treppenstufenverfahren der Zeitfestigkeits- und der Dauerfestigkeitsbereich geprüft.

Die Gewindestangen wurden dabei von den unterschiedlichen Projektpartnern im Projekt hergestellt. Die geschnittenen, wie auch die anschließend festgewalzten Gewinde wurden von der ECOROLL AG selbst hergestellt. Die gerollten Gewinde wurden freundlicherweise von der LMT Fette zur Verfügung gestellt, einem der führenden Hersteller für Gewinderoll-Werkzeuge.
Das Festwalzen wurde, wie auf dem Bild zu erkennen ist, mit einem einrolligen mechanischen Festwalzwerkzeug vom Typ EF90 durchgeführt. Bei diesem Werkzeug wird die Festwalzrolle frei gelagert, so dass sich diese beim Aufbringen der Walzkraft von Fw = 2 kN exakt im Gewindegrund selbst findet. Dies erleichtert das Einrichten an der Maschine und sorgt für einen reproduzierbaren Festwalzprozess über eine Vielzahl von Gewinden hinweg.

Zusätzlich zur Lebensdaueranalyse wurde die Randzone des Gewindegrunds untersucht, und es wurden Härtetiefenverläufe, Eigenspannungsmessungen und Halbswertsbreitenmessungen durchgeführt, um das Ergebnis zu bewerten und zu interpretieren. Die Messungen der Randzone, sowie das Ermitteln der Wöhlerkurven wurde im Rahmen einer studentischen Arbeit an der Hochschule Esslingen - Fakultät Maschinen und Systeme durchgeführt.
Festwalzen von Gewinden steigert die Festigkeit um 30%
Vergleicht man die unterschiedlichen Gewindevarianten anhand der aufgenommenen Wöhlerdiagramme, ist zum einen ganz klar erkennbar, dass das Gewinderollen die Lebensdauer eines Gewindes gegenüber einem geschnittenen Gewinde steigert. Der Abknickpunkt der Wöhlergeraden und damit der Übergang zur Dauerfestigkeit liegt beim gerollten Gewinde um 84% höher als beim geschnittenen Gewinde. In Lastspannungen ausgedrückt bedeutet das eine Steigerung von 65,7 MPa auf 121,0 MPa.
Der Grund hierfür kann klar in den Mikrostrukturanalysen gefunden werden. Alleine an den Schliffbildern ist zu erkennen, wie das Gefüge der gerollten Gewinde einen durchgängigen Faserverlauf aufweist und die Körner in sich verformt sind. Die Härte im Gewindegrund ist bis in eine Tiefe von 1 mm höher als im geschnittenen Fall. Insbesondere auffällig sind die vorhandenen Druckeigenspannungen. Bis in eine Tiefe von 1 mm liegen konstante Druckeigenspannungen von ca.
-650 MPa vor. Beim geschnittenen Gewinde liegen bereits nach 50 µm Zugspannungen vor.
Vergleicht man dazu das festgewalzte Gewinde, können ebenfalls massive Druckeigenspannungen im Gewindegrund gemessen werden. Diese reichen zwar nicht konstant über eine so große Tiefe, aber dennoch bis in eine Tiefe von 700 µm. Dadurch ergibt sich auch die erwartete Lebensdauersteigerung. Im Vergleich zum geschnittenen Gewinde kann durch das Festwalzen die Dauerfestigkeit um 30 % gesteigert werden.

Damit ist das Festwalzen zwar nicht so effektiv wie das Gewinderollen, allerdings zeigen die Ergebnisse, dass das Festwalzen gerade im Bereich der Einzelteile- oder Kleinserienfertigung eine sehr gute Alternative zum Rollen und eine exzellente Ergänzung zum zerspanenden Gewindeschneiden darstellt.
Danksagung
Wir möchten uns ganz herzlich bei dem studentischen Team der Hochschule Esslingen bedanken, welches diese Ergebnisse herausgearbeitet hat. Auch sind wir dankbar, dass uns die Hochschule Esslingen ermöglicht hat, dieses Thema im Rahmen einer studentischen Arbeit untersuchen zu können. Und wir danken der Firma LMT Fette für das Bereitstellen der gerollten Gewindestangen.