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Kerbspannung reduzieren durch Festwalzen: So verbessern Sie die Schwingfestigkeit Ihrer Wellen


Festwalzen ist ein äußerst effizienter Prozess, um die Schwingfestigkeit von mechanisch belasteten Bauteilen zu steigern. Der Prozess selbst ist sehr einfach durchzuführen und kann auf jeder Dreh- oder Fräsmaschine eingesetzt werden. Das Verfahren gehört dabei zu den mechanischen Oberflächenbearbeitungsverfahren und sorgt für eine Einglättung der Oberflächenrauheit und ein gezieltes Verfestigen der Randzone, also dem Werkstoffbereich direkt unter der Oberfläche. 

Die Effekte beim Festwalzen sind das plastische Verformen der Rauheitsspitzen und die damit einhergehende Reduktion der Rauheit, das Steigern der Versetzungsdichte und die damit verbundene Kaltverfestigung sowie das Einbringen von Druckeigenspannungen. 

Gerade Letzteres sorgt während der dynamischen Belastung zu einem Ansteigen der Dauerfestigkeit, weil die Rissentstehung durch die vorhandenen Druckeigenspannungen gestoppt oder stark verlangsamt wird. Die größte Wirkung hat das Festwalzen dabei natürlich an den Stellen, wo auch die größten mechanischen Belastungen wirken. Mechanisch gesehen ist das der Fall an Kerbstellen und in Radienübergängen an Wellen oder wellenähnlichen Bauteilen. Aus diesem Grund wird das Verfahren hier auch besonders oft eingesetzt.


Wie Kerbspannungen die Lebensdauer Ihrer Wellen beeinflussen

Wellen werden auf unterschiedliche Arten belastet. Dies können Zug- oder Druckbelastungen sein, Torsionsbelastungen oder auch biegende Belastungen. In allen Fällen wirkt am Übergang zwischen zwei Wellendurchmessern oder auch beim Übergang in den Flanschbereich die größte Spannung. 

Im Bild ist ein vereinfachter Radträger dargestellt, auf den eine Biegebelastung einwirkt. Es ist deutlich zu erkennen, dass gerade im Übergangsbereich die Spannungen am höchsten sind und ein Versagen dieses Bauteils von dieser Stelle ausgehen wird. 

Wird hier gezielt festgewalzt, können signifikante Lebensdauersteigerungen erreicht werden. Stefanie Günther stellte im Rahmen der VDI-Tagung „Wellen und Welle-Nabe-Verbindungen“ 2024 umfangreiche Untersuchungen dazu vor und konnte Laststeigerungen von bis zu +93% zeigen [1].

Werkzeugauswahl und Prozessoptimierung für eine maximale Schwingfestigkeit

Beim Festwalzen wird ein Walzköper auf die Oberfläche eines Bauteils gepresst. Dort rollt dieser dann ab und sorgt für eine plastischen Verformung der Oberfläche sowie der darunterliegenden Randzone. Die für den Prozess entscheidenden Parameter sind die Geometrie der Rolle, der Vorschub und vor allem die Walzkraft. Sie entscheidet, wie hoch die Druckeigenspannungen sind, die eingebracht werden. 


Am Markt gibt es unterschiedliche Werkzeuge für das Festwalzen. Oftmals unterscheiden sich diese durch die Geometrie der einzelnen Walzkörper. Das Werkzeug - und hier vor allem die Rolle - muss auf die Bearbeitungsaufgabe abgestimmt sein. Eine Rolle, wie sie im Bild 2 zu sehen ist, eignet sich beispielsweise nicht für die Bearbeitung von Radien und anderen frei geformten Flächen. Stattdessen ist sie optimal zum Glattwalzen von zylindrischen Innen- oder Außenflächen geeignet, da sie sehr hohe Vorschübe ermöglicht. 

Zum Festwalzen von Radien eignen sich insbesondere einrollige mechanische Werkzeuge, in denen die Rolle selbstgelagert ist. Bild 3 zeigt zum Beispiel ein einrolliges mechanisches Werkzeug vom Typ EG45 mit einer 40M-Rolle. Die Rolle ist dabei direkt gelagert und kann axiale und radiale Belastungen aufnehmen. Durch die Anstellung der Rolle unter 45° ist eine Bearbeitung über einen Winkel von 90° möglich. Damit eignet sich diese Rollenvariante sehr gut für die Bearbeitung von Radien an Wellen. 


Die Rolle kann entlang der Kontur über die CNC-Steuerung geführt werden und so an jeder Stelle eine optimale Festwalzkraft aufbringen. Allerdings ist bei der Programmierung eine Besonderheit des Werkzeugtyps zu beachten. Die Kraftaufbringung im Werkzeug funktioniert über Federelement, die in einer Richtung einfedern können; in diesem Fall eben unter 45°, also quer zur Rollenachse. 

Die Federrichtung muss bei der Bewertung der Walzkraft berücksichtigt werden. Wird eine zylindrische Fläche bearbeitet, so wird die reale Walzkraft unter einem Winkel von 45° zur Federkraft. Letztere wird auf der Messuhr angezeigt. Wird mit konstanter Walzkraft über einen gesamten Radius bearbeitet, so verändert sich die angezeigte Federkraft. Es wäre also falsch, den Prozess so zu programmieren, dass die Messuhr über den gesamten Radius den gleichen Wert anzeigt.


Dieser Zusammenhang besteht für alle Werkzeuge, bei denen lediglich ein Federelement verbaut ist, die Bearbeitungsrichtung sich aber über die Bauteilkontur ändert. Es ist wichtig, diesen Zusammenhang zu kennen und zu verstehen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie wichtig dieser Zusammenhang tatsächlich ist. Dies wird von Anwendungsfall zu Anwendungsfall neu bewertet. In manchen Fällen ist es unumgänglich, die Walzkraft sehr genau zu bestimmen und zu steuern, dann muss dies auch in der Programmierung berücksichtigt werden. Oftmals ist jedoch der programmiertechnische Aufwand für den Anwender zu groß, und es ist absolut ausreichend mit einer konstanten Zustellung über den gesamten Radius zu arbeiten. Was genau für den Prozess wichtig ist, muss der Anwender stets gesondert und einzeln abwägen. 

 

[1]      S. Günther, B. Muhammedi, T. Werner, B. Schlecht, A. Hasse, A, Brosius: Bewertung der Treffsicherheit der Festigkeitsnachweise von festgewalzten, gekerbten Bauteilen. VDI-Berichte Nr. 2443, VDI-Tagung Wellen und Welle-Nabe-Verbindungen, München, 2024

VIDEO - Festwalzen von Korbbögen und Radien