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Mit Rollieren das Polieren ersetzen – Erfolgsbeispiel aus der Medizintechnik


Kann das Rollieren bzw. Glattwalzen teure und unproduktive Prozesse wie zum Beispiel das Polieren ersetzen? Diese Frage lässt sich gut mit einem „es kommt drauf an“ beantworten. Wo genau die Grenzen liegen und welche Anforderungen erreicht werden können, wollen wir hier an einem Kundenbeispiel aus der Medizinbranche erläutern.

 

Hüftimplantate stellen hohe Anforderungen an die Fertigung

In der Medizintechnik sind die Anforderungen an die hergestellten Produkte ausgesprochen hoch. Wir alle haben den Wunsch, fit und mobil zu sein und zu bleiben. Wir wollen uns schmerzfrei bewegen und auch im hohen Alter noch sportlich aktiv sein. Implantate oder künstliche Gelenke spielen deshalb auch eine große Rolle, wenn es darum geht, diese Wünsche zu erfüllen. Denn in der Realität ist es aber leider so, dass unsere Gelenke in vielen Fällen vorher bereits verschlissen sind und wir einen Ersatz benötigen. Aktuelle Zahlen belegen, dass die Anzahl der Operationen für einen Implantateinsatz in 2023 um 7% gestiegen ist. Allein in Deutschland werden jährlich 220.000 Hüftgelenke implantiert. Im Schnitt gehen wir davon aus, dass jeder vierte Mensch im Laufe seines Lebens ein künstliches Gelenk benötigt.


Leider sind nicht alle Operationen erfolgreich und bedauerlicherweise ist ein solches Gelenk auch nicht für die Ewigkeit gemacht. Die ungefähre Lebensdauer eines künstlichen Gelenks liegt bei ca. 10 Jahren. Ist die Qualität nicht gut, reduziert sich die Lebensdauer und es kommt zu einer frühzeitigen Revision, was immer das erneute Risiko einer Operation nach sich zieht. Kurzum, wir alle haben ein erhebliches Interesse daran, dass die Fertigung z. B. eines Hüftimplantats höchste Ansprüche erfüllt und die Qualität des Gelenks absolut perfekt ist.

Eine Anforderung, die dabei an das Gelenk gestellt wird, ist eine geringe Reibung zwischen Kugel und Pfanne. Beide Flächen müssen extrem glatt sein, damit es zu keinen Ausbrüchen durch hochbeanspruchte Oberflächenbereiche kommt. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die meist aus CoCr-Stahl oder Titan hergestellten Kugeln im letzten Bearbeitungsschritt poliert. Für den Arzt ist dabei der Glanz der Oberfläche ein entscheidendes Kriterium, das für oder gegen den Einsatz des Implantates spricht.


Polieren als Finishing-Prozess

Der finale Polierprozess wird dafür mehrstufig ausgeführt. Mit immer feineren Polierwerkzeugen wird die Oberflächenrauheit Stück für Stück reduziert. Hinsichtlich der Produktivität steht hier der geringe Materialabtrag der geforderten Rauheit von meistens Ra < 0,02 µm gegenüber. Um eine spiegelnde Oberfläche zu erreichen, müssen Polierwerkzeuge mit extrem geringen Korngrößen verwendet werden. In jeder Polierstufe wird dafür die Korngröße reduziert. 

Um die Produktivität zu steigern hat unser Kunde diese Prozesskette in Frage gestellt und sich nach Alternativen zum Polierprozess umgesehen.

 

Glattwalzen reduziert den Polieraufwand erheblich

Die naheliegende Idee und damit auch das Ziel für dieses Projekt war es, den Polierprozess vollständig durch einen Glattwalzprozess zu ersetzen. Durch den Einsatz eines hydrostatischen Glattwalzwerkzeugs vom Typ HG6-9 konnte der Rauheitswert prozesssicher auf einen Rz-Wert von unter Rz < 0,6 µm reduziert werden. Verwendet wurde dabei eine Walzgeschwindigkeit von vw = 150 m/min und ein Walzvorschub von fw = 0,1 mm. 


Beim Glattwalzen wird über das Anpressen einer Walzrolle oder -kugel die Oberflächenrauheit durch einen Umformprozess reduziert. Das bedeutet, der Walzkörper erzeugt durch die Glattwalzkraft eine so hohe Kontaktpressung, dass das Material der Rauheitsspitzen zu fließen beginnt. Dabei wird das Material aus den Spitzen in die Täler gepresst, wodurch die Spitzen abgesenkt und die Täler angehoben werden. In diesem Fall wurde eine Glattwalzkraft von Fw = 750 N verwendet. Also eine Kraft, die für übliche Bearbeitungsmaschinen handhabbar ist. 

Durch den Einsatz des beschriebenen Rollierprozesses konnte das Polieren zwar nicht vollständig ersetzt, dafür aber deutlich reduziert werden. Es ist gelungen einige der Polierstufen zu eliminieren und so eine Kostenreduktion von insgesamt -27% zu erreichen.