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Prozesssicheres Festwalzen mit hydrostatischen Walzwerkzeugen


Viele Bauteile werden für eine dynamische Belastung ausgelegt. Um eine ausreichende Festigkeit zu erreichen, kann ein entsprechender Werkstoff verwendet oder das Bauteil entsprechend geometrisch ausgelegt werden. Im Sinne der Ressourceneffizienz wäre es aber besser, auf minderwertigere Werkstoffe oder grundsätzlich kleinere und leichtere Bauteile zu setzen. Hierzu kann das Bauteil durch eine mechanische Oberflächenbearbeitung nach der Zerspanung behandelt werden. Verfahren dazu sind zum Beispiel das Maschinelle Oberflächenhämmern, das Kugelstrahlen oder auch das Festwalzen. Auf letzteres wollen wir im Folgenden eingehen.

Beim Festwalzen wird ein Walzkörper mit einer definierten Kraft in die Oberfläche eines Bauteils gepresst. Dadurch werden oberflächennahen Bereiche plastisch verformt, und die sogenannte Randzone wird beeinflusst. Dabei entstehen Kaltverfestigungen, Härtesteigerungen und Druckeigenspannungen. Die große Herausforderung beim Festwalzen ist allerdings, dass das Prozessergebnis in der Regel nicht zerstörungsfrei nach dem Prozess geprüft werden kann. Um also zu prüfen, ob die notwendigen Druckeigenspannungen eingebracht wurden, muss das fertige Werkstück zerstört werden. Aus diesem Grund müssen die genutzten Werkzeuge besonders prozesssicher und möglichst resilient gegen Prozessschwankungen sein.

Hydrostatische Festwalzwerkzeuge

Ein Werkzeugtyp, der diese Anforderungen optimal erfüllt, sind hydrostatische Walzwerkzeuge. Neben den mechanischen Werkzeugen ist dies die zweite genutzte Werkzeuggruppe für das Glatt- und Festwalzen. Bei den mechanischen Werkzeugen wird der Walzkörper, eine Walzrolle, mechanisch gelagert über eine definierte Kraft in die Oberfläche gepresst. Bei hydrostatischen Werkzeugen, auch HG-Werkzeuge genannt, wird als Walzkörper eine Walzkugel verwendet. Diese Kugel wird auf einer kompletten Hälfte über ein hydraulisches Medium mit Druck beaufschlagt. Damit wird eine Kraft erzeugt, die proportional zum verwendeten Druck ansteigt.

Dadurch, dass die Kugel quasi im Medium schwimmt, sind die Werkzeuge sehr reibungs- und verschleißarm, können aber dennoch sehr hohe Pressungen zwischen Kugel und Oberfläche erzeugen, so dass hohe Druckeigenspannungen entstehen.

Bei den Werkzeugen unterscheidet man noch zwischen Werkzeugen mit und ohne Nachführsystem. Das Nachführsystem sorgt dafür, dass die Kugel über einen Hubbereich von mehreren Millimetern immer mit einer konstanten Kraft in die Oberfläche gepresst wird. So können zum Beispiel auch unrunde oder unebene Bauteile bearbeitet werden. Grundsätzlich ist die mögliche Bauteilgeometrie sehr unterschiedlich und kann von einer einfachen zylindrischen bis zu einer Freiformfläche reichen. Einzige Ausnahme sind Flächen, die sehr dicht an Kanten enden, wie zum Beispiel Einstiche oder natürlich Innen- bzw. Außengewinde.

HG-Werkzeuge werden für unterschiedlichste Einsatzzwecke genutzt. Insbesondere werden sie dann eingesetzt, wenn es darum geht, prozesssicher die Festigkeit eines Bauteils durch das Einbringen von Druckeigenspannungen oder Kaltverfestigungen zu steigern; und das auch bei Bauteilhärten von mehr als 45 HRC, also bei der sogenannten Hartbearbeitung.

Durch die hydrostatische Lagerung rollt die Kugel frei im Kugelhalter und ist somit deutlich langlebiger im Vergleich zu alternativen Verfahren, wie dem Diamantglätten. Im Vergleich zum Kugelstrahlen erzeugt der Prozess dann aber eben nicht nur die Verfestigung, sondern sorgt auch für eine deutliche Einglättung der Oberfläche.

Die HG-Technologie besteht aus Werkzeug und Hochdruckaggregat

Neben dem Werkzeug, das es in unterschiedlichen Aufbauvarianten und mit unterschiedlichen Kugelgrößen von 2-25mm gibt, gehört auch eine Hochdruckeinheit zum Prozess. Je nach Werkstoff und geforderter Druckeigenspannung, kann die Walzkraft bis zu 600 bar betragen. Bei einer Kugelgröße von dk = 6 mm wirkt bei einem Druck von pw = 400 bar eine Walzkraft von ca. Fw = 1.000 N. Durch die Kombination aus Kugelgröße und Kraft ergibt sich eine Hertz´sche Pressung (Kontaktpressung zwischen zwei Bauteilen) von pmax > 6 GPa. Das liegt weit über der Festigkeit von Stählen, ist aber notwendig, um Druckeigenspannungen in ausreichender Höhe zu erzeugen.

Um einen prozesssicheren Betrieb des Werkzeugs zu ermöglichen, gehört die Hydraulikanlage mit zur Technologieeinheit HG-Walzwerkzeug. Als Medium kann zwar das der CNC-Maschine genutzt werden, also Schneidöle oder Kühlschmierstoffe, allerdings sind passende Durchflussmengen, Filterungen und Kühlungen notwendig, um auch im 24/7 Betrieb immer eine ausreichend große Menge zur Verfügung zu haben. Die größte Gefahr bei dieser Technologie geht von einem Trockenlauf des Mediums aus. Denn diese würde dazu führen, dass im schlimmsten Fall die Kugel stehend mit voller Kraft auf die Oberfläche gepresst wird, was zum sofortigen Ausfall des Kugeleinsatzes führt.

Die Randzone wird durch das Festwalzen bestimmt

Wie gerade schon kurz angesprochen, wirkt beim Festwalzen mit HG-Werkzeugen eine sehr hohe Hertz´sche Pressung. Diese ist durch die Tiefenwirkung auch für das Einbringen der Druckeigenspannungen verantwortlich. Die hohen Pressungen sorgen dafür, dass im Grunde alle vorher eingebrachten Randzonenveränderungen wieder ausgeglichen werden. So wurde zum Beispiel von Röttger bereits 2003 nachgewiesen, dass unterschiedlich eingebrachte Druckeigenspannungen durch Schneidenverschleiß beim Hartdrehen, durch die Nutzung des gleichen Festwalzprozesses ausgeglichen werden können. So lange die Tiefenwirkung des Walzens höher ist als die zuvor eingebrachte Randzonenveränderung, ist das Festwalzen das bestimmende Verfahren. Somit können auch „Fehler“ aus Vorprozessen sicher ausgeglichen werden. 

Hydrostatische Walzwerkzeuge gleichen „Fehler“ des Vorprozesses aus

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass hydrostatische Werkzeuge durch ihren Aufbau bereits dafür sorgen, dass die kritische Prozessgröße Walzkraft konstant gehalten wird. Geometrieabweichungen oder auch Veränderungen der Randzone aus der Zerspanung lassen sich prozesssicher ausgleichen, und es kann ein konstanter Randzonenzustand erzeugt werden. Durch den Einsatz abgestimmter Hydraulikaggregate kann auch das Medienmanagement sicher gestaltet und die Lebensdauer der Walzkugeln deutlich verlängert werden.