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Oberflächen- und Randzoneneigenschaften entscheiden über Bauteileigenschaften

In der Produktion von Bauteilen kennt jeder beteiligte die etwas kryptischen Angaben auf Zeichnungen zur Qualität der Oberfläche. Rz 6,2 oder Ra 0,7 steht dann dort an einer Fläche und durch die Maschinenbedienerin oder den Maschinenbediener muss dieser Oberflächenwert irgendwie eingehalten werden. Doch die wenigsten wissen, wie wichtig diese Angaben sind und was die wirkliche Qualität der Oberfläche ist. Denn neben der sogenannten Rauheit, gibt es weitaus mehr Eigenschaften einer Oberfläche, die die Funktion des Bauteils beeinflussen. Und auf die möchten wir in diesem Beitrag etwas näher eingehen und deren Bedeutung erklären.

Diese häufig unterschätzten Eigenschaften nennen sich Oberflächen- und Randzoneneigeschaften. Man bezeichnet damit alle Eigenschaften eines Bauteils, die die Oberfläche oder das unmittelbar darunter liegende Werkstoffgefüge beschreiben. Um das Ganze genauer zu beleuchten, möchten wir mit einer Definition der Begriffe anfangen.

Oberflächeneigenschaften: Die Oberflächeneigenschaft ist die Gestalt der eigentlichen Oberflächen, dazu zählen die Rauheit, Welligkeit oder auch Topografie. Die Oberfläche selbst ist die Trennschicht zwischen der Umgebung und dem Werkstoff des Bauteils. Sie wird nur als Fläche angesehen und hat keine Dicke [Breidenstein, 2011].

Randzoneneigenschaften: Als Randzoneneigenschaften werden die Werkstoffeigenschaften unter der Oberfläche bezeichnet, die sich aufgrund des Fertigungsprozesses von den Eigenschaften des Grundwerkstoffs unterscheiden. Dazu zählen der Gefügezustand, die Textur, die Härte, die Eigenspannungen oder vorhandene Risse [Breidenstein, 2011].

Das klingt jetzt erstmal etwas sperrig, daher soll dies noch einmal aufgeschlüsselt werden. Die Oberfläche ist der sichtbare Bereich des Bauteils. Betrachtet man mit bloßem Auge ein Bauteil, sieht man zum Beispiel eine metallisch glänzende und glatte Oberfläche. Zoomen wir etwas heran, in dem wir das Bauteil unter ein Mikroskop halten, können wir eine feine Struktur sehen. Je weiter wir zoomen, desto weniger glatt erscheint die Oberfläche. Diese Struktur wird als Topografie bezeichnet und kann durch unterschiedliche Messverfahren in Kennwerten zusammengefasst werden. Üblich sind hier zweidimensionale taktile Messverfahren, in denen ein Oberflächenprofil ermittelt wird. Neuere Methoden sind dreidimensionale optische Messtechniken, in denen nicht nur ein Profil der Oberfläche aufgenommen wird, sondern eine größere Fläche bestimmt und dann ausgewertet wird. Aber egal wie weit an die Oberfläche herangezoomt wird, man blickt nur auf eine Fläche. Die Oberfläche ist also der sichtbare Teil eines Bauteils.

Dem gegenüber stehen die Randzoneneigenschaften. Sie sind nicht sichtbare Eigenschaften, da sie unmittelbar unter der Oberfläche liegen. Man kann sie mit unterschiedlichen Messmethoden sichtbar machen bzw. ihre physikalische Auswirkung wird sichtbar. Durch die mechanischen oder thermischen Beanspruchungen des Bearbeitungsprozesses kommt es zu lokalen Veränderungen der Werkstoffeigenschaften in der Randzone. Daher ist auch die Dicke der Randzone immer unterschiedlich. Wenn beispielsweise die Oberfläche gehont wird, können sehr hohe Druckeigenspannungen eingebracht werden. Allerdings wirken diese nur für wenige Mikrometer in die Randzone hinein. Dem gegenüber steht zum Beispiel der Festwalzprozess. Hier werden gezielt hohe mechanische Belastungen der Randzone provoziert, um Eigenspannungen bis in eine Tiefe von 1 mm oder mehr einzubringen. Die Randzone einer gehonten Fläche ist also ca. 100-mal dünner also die Randzone einer gewalzten Fläche.

Die wichtigsten Eigenschaften der Randzone sind die Härte und die Eigenspannungen. Auf beides wird zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gezielt eingegangen. Diese Eigenschaften sind daher so wichtig, weil sie die Eigenschaften von Bauteilen signifikant beeinflussen können. So führt eine gesteigerte Härte in der Randzone z. B. dazu, dass der abrasiere Verschleiß des Bauteils reduziert wird und das Bauteil somit länger hält. Prozesse, um die Randzonenhärte gezielt zu beeinflussen sind z. B. das induktive Härten oder das Nitrieren.

Eigenspannungen sind daher so wichtig, weil sie die Lebensdauer unter dynamischer Belastung steigern können. Eigenspannungen sind Spannungen im Bauteil, die auch vorliegen, wenn das Bauteil völlig in Ruhe ohne äußere Einwirkungen liegt. Man unterscheidet sie in Zug- und Druckeigenspannungen. Vereinfacht gesagt, sind Druckeigenspannungen gut und Zugeigenspannungen schlecht für die Lebensdauer von Bauteilen. Der Grund ist die vereinfachte Modellsichtweise, dass ein Ermündungsschaden häufig von der Oberfläche ausgeht und mit einer Rissinduzierung startet. Durch Druckeigenspannungen wird der die Rissausbreitung verlangsamt oder gestoppt. Durch Prozesse wie Festwalzen oder Hämmern werden eben gezielt Druckeigenspannungen eingebracht. Die Lebensdauer von Bauteilen kann somit in vielen Fällen verfünffacht werden. Im Bild dargestellt ist die Lebensdauersteigerung eines Achsschenkels, bei dem unterschiedliche Maßnahmen getroffen wurden, wie eine Änderung des Werkstoffs oder der Kerbgeometrie, aber eben auch das Einbringen von Druckeigenspannungen durch Festwalzen.